Wettkampf auf Leben und Tod
Spannung in "The Hunger Games"
DOI:
https://doi.org/10.54717/kidsmedia.4.1.2014.3Schlagwörter:
The Hunger Games, Spannungsforschung, AngstlustAbstract
„Spannung ist, wenn’s spannend ist“: So fasst der Medienpsychologe Peter Vorderer die Erfahrung zusammen, dass wir zwar alle intuitiv wissen, was mit Spannung gemeint ist, wie sie sich anfühlt, welche Texte, Filme und Genres besonders viel davon versprechen, dass es uns aber schwer fällt, exakt zu beschreiben, was genau wann und weshalb bei uns Spannung auslöst. Diese Schwierigkeiten haben mit der Doppelnatur der Sache zu tun, denn Spannung ist sowohl ein Text- wie ein Rezeptionsphänomen. Der Beitrag behandelt am Beispiel der dystopischen Bestsellertrilogie The Hunger Games (2008-2010) von Suzanne Collins drei Grundfragen der interdisziplinären Spannungsforschung: welche Grundbedingungen erfüllt sein müssen, damit fiktionale Spannung überhaupt entstehen kann; welche spezifischen Leserlenkungsstrategien beim Publikum Spannung auslösen; und wieso sich dieses überhaupt freiwillig Angst und Spannungsstressaussetzt.
Die Forschung nennt vier Grundbedingungen: (1) dass der Ausgang ungewiss ist – wobei die Paradoxie, dass wir spannende Filme und Texte auch beim zweiten Rezipieren als spannend erleben können, kontrovers diskutiert wird; (2) dass dieser ungewisse Ausgang mit Überlebensmotiven zu tun hat und nur eine limitierte Zahl von Lösungen zulässt; (3) dass die Aussichten auf den vom Publikum ersehnten Ausgang sehr gering sind; und (4) dass die Rezipierenden um die gefährdete Figur bangen, also deren Perspektive übernehmen.
Mithilfe von vier Leserlenkungs- beziehungsweise Spannungsstrategien stimulieren AutorInnen und FilmemacherInnen ihr Publikum affektiv oder kognitiv und lösen Thrill, Neugierde, Beunruhigung und Überraschung aus: (1) suspense (Konflikt- und Bedrohungsspannung), (2) mystery (Rätselspannung), (3) disquiet (Beunruhigungsspannung) und (4) surprise (Überraschungsstrategie). Jede Strategie wird charakterisiert durch ein je spezifisches Zusammenspiel von Ereignis- und Diskursebene (d. h. was geschieht und wie dieses Geschehen präsentiert wird), wobei auf Ereignisebene die bereits genannten Grundbedingungen zentral sind.
In der Realität unangenehme Zustände wie Angst, so eine These in der Spannungsforschung, werden während der Rezeption spannender Handlungen nicht negativ, sondern lustvoll erlebt, nicht als reale Angst, sondern als „Als-ob-Angst“, als Angstlust, die durch vielfältige Grenzüberschreitungen ausgelöst wird. Diese Grenzüberschreitungen, so das Fazit, sind charakteristisch für The Hunger Games.