Der grosse Leser

Männlichkeit, Macht und Leseschwäche in fantastischen Kinder- und Jugendmedien der Gegenwart

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.54717/kidsmedia.4.2.2014.3

Schlagworte:

Digitale Revolution, Lesekultur, Geschlechterordnung

Abstract

Die digitale Revolution und die mir ihr verbundenen Ängste schlagen sich in Kinder- und Jugendmedien besonders stark nieder. Die Debatten um die ungewisse Zukunft des Buches, um den Verlust der Lesefähigkeit und damit überhaupt der Kultur kristallisieren sich um die digital natives – die Kinder und Jugendlichen, denen man nachsagt, dass ihr soziales, emotionales und intellektuelles Leben auf die Dimensionen ihres Smartphones beschränkt sei. Dabei ist gerade das Smartphone, genau wie das Tablet oder das Videospiel, eine Realisierung des Traums vom absoluten Medium, in dem sich die Autoren und Denker der Frühromantik eine Verschmelzung aller Künste erträumten. Heute nennt man das, etwas technokratischer, Medienkonvergenz.

Die Spannung zwischen kulturkritisch gefärbter Besorgnis auf der einen Seite und Medieneuphorie andererseits bestimmt auch die Kinder- und Jugendmedien, in denen magische Bücher im Zentrum stehen. Die unendliche Geschichte,Michael Endes Klassiker von 1979, bildet immer noch den Bezugsrahmen für fantastische Zauberbuch-Literatur, auch wenn sich in den letzten Jahren so unterschiedliche Texte wie Nikolaus Heidelbachs Ein Buch für Bruno (1997), Lev Grossmans Magicians-Trilogie (2009–2014) oder Juan Villoros Das wilde Buch (2014) um Lektüre und Wissen drehen.

Bei der Analyse fällt auf, dass weibliche und männliche Figuren in ihrem Verhältnis zu Büchern sehr unterschiedlich inszeniert werden: Die Geschlechterordnung ist aufs Engste mit der Wissensordnung verzahnt. Im Gegensatz zu den lesefreudigen und wissbegierigen Mädchen, für die Lernen eine Selbstverständlichkeit ist, gestaltet sich das Lesen für männliche Protagonisten meist problematisch. Die einen leiden an einer Leseschwäche, andere wollen lieber echte Abenteuer erleben. Und wenn sie doch gerne lesen, dann halten sie die Diskrepanz zwischen Fiktion und Realität nur schwer aus. Trotzdem – oder gerade deswegen – sind die männlichen Figuren die „grossen Leser“ der zeitgenössischen Kinder- und Jugendmedien. Mit dem Entziffern von Buchstaben mögen sie sich zwar schwertun, doch die Botschaft zwischen den Zeilen ist klar: Ein guter Leser braucht vor allem eine Leidenschaft für Geschichten. Und die gibt es, vor allem im Medienzeitalter – überall, nicht nur in Büchern.

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Veröffentlicht

2014-09-01

Zitationsvorschlag

Lötscher, C. (2014). Der grosse Leser: Männlichkeit, Macht und Leseschwäche in fantastischen Kinder- und Jugendmedien der Gegenwart . kids+media : Zeitschrift für Kinder- Und Jugendmedienforschung, 4(2). https://doi.org/10.54717/kidsmedia.4.2.2014.3