Unzuverlässiges Erzählen in Kinder- und Jugendliteratur und -medien?

Eine vergleichende Studie

Autor/innen

  • Sonja Klimek Universität Freiburg

DOI:

https://doi.org/10.54717/kidsmedia.7.2.2017.2

Schlagworte:

mimetische Unzuverlässigkeit, axiologische Unzuverlässigkeit, transmedial-konzeptioneller Ebene

Abstract

Erzählerische Unzuverlässigkeit ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Forschungsgebiet der Narratologie geworden. Für die Kinder- und Jugendliteratur und -medien (KJLM) gibt es dagegen zu diesem Erzählphänomen bisher wenig grundsätzliche Überlegungen und kaum Fallstudien. Der Beitrag prüft anhand diverser Fallstudien aus einer mit nicht-altersspezifischen Medien vergleichenden Perspektive, welche Formen erzählerischer Unzuverlässigkeit auch in an heranwachsende Rezipientinnen und Rezipienten adressierten Text-, Text-Bild- und Text-Bild-Ton-Medien vorkommen und welche (ggf. abweichenden) Funktionen sie dort erfüllen.

Dabei stellt sich heraus, dass mimetische Unzuverlässigkeit (in ihren drei Unterarten täuschendes, offen unzuverlässiges und mimetisch unentscheidbares Erzählen) durchaus häufig in KJLM vorkommt. Je nach Altersadressierung eines Mediums kann es sein, dass die Interpretation, einem Text erzählerische Unzuverlässigkeit zuzuschreiben, wohl nur von den erwachsenen Vorlesern und Vorleserinnen gemacht wird, z.B. um wunderbare Ereignisse in einer ansonsten realistisch geschilderten Welt zu naturalisieren, während jüngere Rezipientinnen und Rezipienten wohl eher von zuverlässig erzählter fantastischer Literatur ausgehen. Doch auch in durchweg realistischen Kinder- und Jugendmedien kann erzählerische Unzuverlässigkeit ein Darstellungsmittel sein, um bei den Rezipierenden für Verständnis zu werben, etwa gegenüber Mitmenschen mit geistigen Einschränkungen.

Beispiele für axiologische Unzuverlässigkeit lassen sich dagegen nur schwer in spezifischen KJLM finden. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass KJLM tendenziell Werte und Normen vermitteln oder verfestigen soll. Insofern wäre die Gefahr gross, dass axiologisch fragwürdige Erzählerfiguren von heranwachsenden Rezipierenden nicht als solche erkannt und insofern die abzulehnenden Grundhaltungen als im Medium verharmlost oder gar beworben wahrgenommen werden. Dennoch findet man auch hierfür vereinzelt Beispiele gerade in der Coming-of-Age-Literatur. Dort kann es für die angesprochene Zielgruppe interessant sein, gemeinsam mit jugendlichen Reflektorfiguren zu bemerken, dass die eigene Weltsicht notwendigerweise subjektiv ist und nicht immer mit der anderer Menschen übereinstimmt.

Grundsätzlich ist jedoch festzustellen, dass im Bereich der erzählerischen Unzuverlässigkeit in nicht rein schriftliterarischen KJM auch auf transmedial-konzeptioneller Ebene noch viel Grundsatzarbeit zu leisten bleibt.

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Veröffentlicht

2017-09-01

Zitationsvorschlag

Klimek, S. (2017). Unzuverlässiges Erzählen in Kinder- und Jugendliteratur und -medien? Eine vergleichende Studie. kids+media : Zeitschrift für Kinder- Und Jugendmedienforschung, 7(2). https://doi.org/10.54717/kidsmedia.7.2.2017.2