Bedrohliche Verflechtungen im Pflanzenhorror
Filmanalytische Perspektiven auf die Konstruktion von Monstern in Little Joe (2019)
DOI:
https://doi.org/10.54717/kidsmedia.13.1.2023.4Schlagwörter:
folk horror, vegetal turn, Pflanzenhorror, FilmanalyseAbstract
Das von X Verleih produzierte und in Cannes vorgeführte Science-Fiction-Drama Little Joe, Glück ist ein Geschäft (2019) dreht sich um verheerende menschliche Eingriffe in die Natur. Eine gentechnisch manipulierte Blume namens Little Joe versprüht ihre unheilvollen Pollen, welche beim Einatmen zwar glücklich machen, aber auch Einfluss auf die menschliche Persönlichkeit nehmen. Es ist eine Überlebensstrategie: Der Reproduktionsfähigkeit beraubt, sichert die ‚künstliche‘ Pflanze ihr Überleben, indem sie Menschen dazu bringt, sie zugunsten von anhaltendem Glück, um jeden Preis zu beschützen.
Bei der Erörterung des monströsen Potenzials der Blume und ihrem unheimlichen Handlungsspielraum im Film werden Bezugnahmen zu Dawn Keetleys sechs Thesen des Pflanzenhorrors hergestellt. Es wird aufgezeigt, inwiefern in Little Joe Monströses steckt: Die Pflanze stellt etwa das komplett andere zum Menschen dar und ähnelt ihm dennoch. Sie steht mitten in der Handlung aber lauert zugleich auch am blinden Fleck, wo sie eine unheimliche Atmosphäre kreiert. Litte Joe bedroht Menschen in ihrer Autonomie und legt einen unnachgiebigen Überlebenswillen an den Tag. Das Pflanzenwesen als unheimliche:r Akteur:in und Rächer:in lässt sich in den Kontext des aktuellen vegetal turn, in welchem Sympathien für Pflanzen wachsen und ihnen zunehmend agency zugesprochen wird, einordnen.
Im Weiteren bespricht ein Exkurs in die Kulturvirologie Konflikt- und Verknüpfungspunkte zwischen unterschiedlichen Lebensformen, die für die Konzipierung von Monstern produktiv genutzt werden können. Unter dem Hintergrund von human enhancement sowie der Gentechnik werden schliesslich Umgangsformen mit Ethik und Macht bei der menschlichen Einflussnahme auf ein natürliches Ökosystem diskutiert. Es handelt sich um eine multiperspektivische Beleuchtung eines unnatürlichen Pflanzenwesens, welche beispielhaft aufzeigt, wie aus passiven Gewächsen furchteinflössende Akteur:innen werden.